Hilfe, die Patienten ziehen mir so viel Energie!

Übernehmen Sie auch manchmal unbewusst das Steuer?

Der Tag war lang, die Gespräche gut aber am Ende bleiben Sie erschöpft zurück. Klar, wir dürfen abends müde sein und es gibt einen Unterschied zwischen müde und erschöpft.  Es kann sein, dass Sie zu viel getan haben und der Patient zu wenig. Lassen Sie mich ein wenig ausholen:

 

Wir sind die Hüter unserer Energie

Sie begleiten Menschen durch ihre Prozesse, hören zu, helfen zu sehen, zu fühlen, zu verändern. Gleichzeitig sind Sie aber nicht der Patient (und ja, wie oft würden wir ja so gerne…), wir können nicht seine Schritte gehen und können nicht das Steuer seines Lebens übernehmen. Dort haben wir keine Macht. Klar, können wir auf ihn einreden aber tun muss er selbst. 

Und genau hier liegt manchmal das Problem: Wir verlassen unser eigenes Steuer und sind auf dem Boot und am Steuer des Patienten.  Damit ist unser Boot ohne „Führung“. Nach meiner Erfahrung kostet das viel Energie und wir merken oft zu spät, wie erschöpfend das ist. 

 

Warum übernehmen wir zu viel „Verantwortung“?

Oft spüren wir eine „Motivation“ helfen zu wollen.  Aber: Wir sind nicht für das Ergebnis verantwortlich, sondern  NUR für unseren Beitrag. Der Patient darf auch einen Beitrag leisten. 

 

Wo lauern die Herausforderungen für uns? 

  • Wir übernehmen gedanklich und manchmal emotional den Platz des Patienten. Wir denken: „Wenn ich nur… dann wird es ihm gut gehen.“ Damit übernehmen wir, was nur der Patient selbst tragen kann.

  • Wir vergessen unsere Grenze: Wo endet meine Aufgabe? Wo beginnt die des Patienten? Wenn die Grenzziehung schwach ist, verschieben wir uns manchmal in Richtung Überverantwortung, weil wir helfen wollen.

  • Wir versuchen, den Prozess zu beschleunigen, dabei braucht Heilung, Veränderung und Integration Zeit. Der Patient steht an einem anderen Punkt als wir (wir wissen z. B. schon vieles seit Jahren, er erlebt vieles neu). Wenn wir das missachten, entsteht innere Spannung, und die kostet Energie.

  • Wir ignorieren die Signale unseres Körpers und unserer Seele: Müdigkeit, Gereiztheit, das Gefühl „Ich fühl mich überfordert, es ist zuviel“ 

 

Was Sie ausprobieren können:

 

1. Klare Rollen- und Aufgabenverteilung definieren

  • Formulieren Sie für sich selbst: „Meine Aufgabe ist …“ und „Die Aufgabe des Patienten ist …“. Wenn Sie z. B. sagen: „Ich begleite Sie beim Erforschen Ihrer Muster“, dann ist Ihre Aufgabe die Begleitung. Nicht mehr 

  • Vereinbaren mit Ihrem Patienten: Es ist in Ordnung, dass Veränderung Zeit braucht. Und mir ist bewusst, dass Zeit hier auch den Faktor Geld beinhaltet. 

  • Halten Sie Ihre Grenzen. Wenn Sie spüren, dass Sie mehr übernehmen wollen, als Ihre Rolle erlaubt, halten Sie inne. 

  • Manche Patienten wollen uns ganz bewusst in die „Macher“-Rolle drücken. Der Patient will das Opfer bleiben. Bleiben Sie auch hier klar. 

2. Geben Sie sich und dem Patienten Zeit 

  • Der Patient erlebt etwas zum ersten Mal, Sie haben Jahre Erfahrung – das heißt: Er muss verdauen, verarbeiten, schrittweise lernen. Das ist normal.

  • Kommunizieren Sie das offen: „Ich sehe, dass dieser Schritt für Sie neu ist und Zeit braucht. Ich begleite Sie in Ihrem Tempo.“

  • Vermeide das Gefühl, alles in einer Sitzung „lösen“ zu müssen. Das setzt Sie und den Patienten unter Druck. Meist spürt der Patient das und das kann kontraproduktiv sein.

  • Manchmal wollen wir auch zu viel Erklären und das kann genauso eine Überforderung darstellen. Im schlimmsten Fall bleibt der Patient weg. 

3. Konzentrieren Sie sich auf die Beziehung  und den Prozess

  • Die therapeutische Beziehung ist der Nährboden für Veränderung. Wenn Sie Ihr Augenmerk mehr auf das Ergebnis (Veränderung, Heilung) richten, als auf den Menschen vor Ihnen, kann das die Qualität der Beziehung belasten.

  • Fragen Sie sich: Wie ist meine Präsenz? Wie ist meine Haltung? Bin ich erreichbar, klar, reflektiert? Oder bin ich erschöpft, gereizt, abgelenkt? In letzterem Fall leidet die Beziehung und auch Ihre Energie.

  • Selbstfürsorge: Ihre Energiequelle bleibt nur dann stabil, wenn Sie darauf acht geben. Das heißt z. B.: Pausen einplanen, Supervision nutzen, Kolleginnen-Netzwerke pflegen, Rituale zur Regeneration.

Mir ist bewusst, dass dies nur ein klitzekleiner Aspekt ist. Erschöpfung und Energielosigkeit können viele Gründe haben. Es kann auch sein, dass Sie völlig fein damit sind, aber Ihr Patient genau dieses Problem zu Hause hat. Möge es Ihnen Impulse geben. 

Sie fühlen sich angesprochen und möchten schauen, was sich ändern lässt? 

Lassen Sie uns sprechen

Alles Liebe
Ihre
Claudia Hönig